Please use this identifier to cite or link to this item: http://dx.doi.org/10.25673/92524
Title: Kulturhistorische Theorie/Tätigkeitsansatz und Sachunterricht
Author(s): Giest, Hartmut
Issue Date: 2007
Type: Article
Language: German
Publisher: widerstreit sachunterricht
Abstract: Nach TIMSS, PISA, IGLU u. a. auf den Output des Systems Schule gerichteten Tests und auf dem Hintergrund einer sich dramatisch verändernden (Wissens-)Gesellschaft ist das Lernen zu einem Hauptthema des gesellschaftlichen Diskurses geworden (Bildungskommission NRW 1995, Delors et al. 1997, Bildungskommission … 2003, Arbeitsstab Forum Bildung… 2000). Die Verfügbarkeit von Wissen wird zu einem, betrachtet man die Sicherheitslage der Welt, lebensnotwendigen und, richtet man das Augenmerk auf die Wirtschaft, zu einer unverzichtbaren Bedingung der gesellschaftlichen Entwicklung. Dies kann nicht ohne Auswirkungen auf Bildung bleiben. Bildung (mit Blick auf die gesamte Bevölkerung) wird zu einem entscheidenden Standortfaktor im Wettbewerb der modernen Industrienationen. Dabei kommt es entscheidend darauf an, sich im Bildungsbereich auf neue Anforderungen einer dynamisch sich in immer kürzeren Zeiten verändernden Welt einzustellen. Das heißt vor allem, Bildungsprozesse als lebenslanges Lernen anzulegen und zu verstehen und darauf zu richten, jene Kompetenzen verfügbar zu machen, die für die Gestaltung einer sich entsprechend dynamisch entwickelnden Gesellschaft erforderlich sind. Deshalb sind lebenslanges Lernen, Lernen lernen, selbstständiges Lernen, konstruktivistisches Lernen u. a. Schlagwörter in diesem Diskurs.Dieser Diskurs setzt die Pädagogik unter Druck. Als Ausdruck dieses Druckes wird innerhalb der Pädagogik intensiv nach Theorien und Ansätzen gesucht, die Vorschläge unterbreiten, wie die programmatischen Ziele bezüglich des lebenslangen Lernens im Rahmen einer lernenden Gesellschaft, lernender Organisationen usf. praktisch umgesetzt bzw. in den Schwierigkeiten der praktischen Umsetzung besser verstanden und bestehende Probleme gemeistert werden können. Genannt seien beispielsweise evolutionäre Pädagogik, Hirnforschung und Konstruktivismus (siehe z. B. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 4/1999; 7/2004; 5/2006; Zeitschrift für Pädagogik 5/2002; 5/2004; 51/2005; 49. Beiheft, Pädagogik 1; 2; 6/2000; 4/2003; 6/2005; Zeitschrift Sonderpädagogische Förderung 3/2006; nicht genannt werden sollen weitere weniger seriöse Theorien und Ansätze (siehe zum Problem Terhart 1997). Und wegen der gesellschaftlichen Dimension der Problemstellung melden sich Grundlagenforscher zum pädagogischen Thema zu Wort, mehr noch, werden regelrecht auf Konferenzen und Tagungen herumgereicht und diskutieren hier Fragen wie:Lernen wir oder lernen unsere Gehirne (Hüter 2003; Spitzer 2007; Roth 1995; 2001; Brand/Markowitsch 2006; Singer 2006; siehe aber auch kritisch Bork 2006; Jantzen 2004; 2007; Klix 1993; Künzli 2004; Lüpke 2006)?Ist Lernen eine Form der Adaptation an die Umwelt, ist also Entwicklung als Anpassung an die Umwelt zu deuten, passen sich Menschen lernend an die Umwelt an (Scheunpflug 2002; Treml 2002; Voland/Voland 2002; Bellmann 2005; Voland 2006; Lüders 2004)?Gibt es den freien Willen oder ist das nur eine von unserem Gehirn vorgegaukelte Illusion und uns wird nur bewusst, was das Limbische System vorher schon entschieden hat (Roth 2001)? Ist unser Gehirn aus Sicht der Gegenwart eine archaische Fehlkonstruktion, die nicht zum (wissenschaftlichen) Denken, Lesen, Schreiben… geschaffen wurde (Spitzer 2007; Singer 2006)? Es stellt sich die Frage, ob die Gesellschaft der Pädagogik nicht zutraut, angemessene Antworten auf die Fragen nach der Bewältigung der gekennzeichneten Herausforderungen zu finden, da sie Grundlagenforscher in ganz praktisch pädagogischen Fragen um Rat bittet. Andererseits grenzt es schon an Peinlichkeit, dass in der tonangebenden deutschen lernpsychologischen Literatur diese Ansätze (evtl. mit Ausnahme des Konstruktivismus) kaum eine Rolle spielen (vgl. Reinmann/Mandl 2006). Gleiches gilt im Gegensatz zu internationalen Tendenzen (vgl. z. B. Journale „Learning and Instruction“ und „European Journal of Psychology of Education“) hier allerdings auch für die kultur-historische Theorie und den Tätigkeitsansatz.Im nachfolgenden Text soll es vor allem um die Antworten gehen, die aus der kultur-historischen Theorie und dem Tätigkeitsansatz zu den oben aufgeworfenen Fragen des Lernens gegeben werden können. Dabei werden die Besonderheiten durch Kultur determinierten Lernens und die erkenntnis-, lerntheoretischen und didaktischen Implikationen darzustellen sein, die dann auch Konsequenzen für die Didaktik, vor allem das Lernen und Lehren im Sachunterricht, nach sich ziehen.
Annotations: „Wer wie wir heute in der fatalen Situation steht, infolge des bedingten Zweifel[s] bereits an der Möglichkeit der Wahrheit, die auch wieder geradezu die Voraussetzung unseres gewohnten verständigen/ verstandesgemäßen Gebrauchs der Wörter und Begriffe ist, nach Mitteln zu fahnden, um die Grenzen des Verstandes Überschreiten zu können, greift nach jedem Strohhalm. Und das Wort 'Widerstreit' schien mir für die Sachlage passend zu sein, da es genau in diesem Sinn als ein 'Kind' dieser Sprachnot verstanden werden kann.” (Ansgar Häußling in einem Brief an Gerold Scholz vom 1.2.2002)
URI: https://opendata.uni-halle.de//handle/1981185920/94476
http://dx.doi.org/10.25673/92524
ISSN: 1612-3034
Open Access: Open access publication
License: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/
Journal Title: widerstreit sachunterricht
Issue: 8
Original Publication: https://public.bibliothek.uni-halle.de/sachunterricht/article/view/2771/version/2710
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